Vierzehn Jahre nach ihrer Einspielung gelangen einige der spannendsten Bossa- und Balladenaufnahmen, die Stan Getz je gemacht hat, endlich ans Licht der Öffentlichkeit. Auf den ersten Blick könnte man glauben, daß es sich bei "Bossas & Ballads" lediglich um eine weitere Best-Of-Compilation handle, auf der man zum x-ten Male der Ipanema-Strandschönheit im Mondlicht von Vermont begegnen wird. Doch dann macht der Nebentitel "The Lost Sessions" deutlich, daß es hier um noch unveröffentlichte Aufnahmen geht. Und das ist schon eine kleine Sensation.
Wirklich "lost" waren diese Sessions allerdings nie, sondern nur aus etwas seltsam anmutenden Gründen in der Schublade der Plattenfirma geblieben. Produzent Herb Alpert war damals schlicht der Ansicht, daß die PR-Abteilung seines Labels A&M ein richtiges Jazzalbum nicht vernünftig vermarkten könnte. Statt dessen brachte Alpert auf A&M damals das erst nach den "Bossas & Ballads"-Sessions aufgenommene Orchesteralbum "Apasionado" heraus. Die heute als "The Lost Sessions" deklarierten Einspielungen ließ man erstaunlicherweise vierzehn Jahre lang auf Eis liegen.
Eingespielt hatte Tenorsaxophonist Stan Getz diese Aufnahmen 1989 mit einem hochklassigen Quartett, bei dem Pianist Kenny Barron eine tragende Rolle zufiel. Getz und Barron bildeten von 1986 bis zu Getz' Tod im Jahre 1991 ein Team, das mit wechselnden Bassisten und Schlagzeugern oder als Duo in Erscheinung trat. In diesen Jahren entstanden zweifellos einige der besten Alben des Tenorsaxophonisten ("Anniversary", "Serenity" und vor allem "People Time"). Getz nannte den Pianisten "die andere Hälfte meines musikalischen Herzens" und sagte 1988 in einem Interview: "Ich war mit brillanten Pianisten wirklich gesegnet - Jimmy Rowles, Albert Dailey, Chick Corea, etc. pp. [etc. pp. sind u.a. Bill Evans, Oscar Peterson, Horace Silver, John Lewis]. Aber keiner von ihnen berührte mich so sehr wie Kenny. Kennys Einfühlsamkeit läßt sich nur mit seiner Vielseitigkeit vergleichen."
Barron besticht auf diesem Album aber nicht nur als Pianist. Er steuerte auch fünf der neun Titel bei; die anderen stammen von Thad Jones, Mal Waldron, Sam Rivers und Russ Freeman. Weshalb dieses exzellente Album erst zwölf Jahre nach dem Tod von Getz erscheint, bleibt ein Rätsel.
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