Leonard Bernsteins seltene Gabe, unsere Freude an der Musik zu steigern, indem er uns ihre Sprache, ihre Formen und ihren Sinn erschließt, wird auf jeder Seite dieses Buches offenbar. Hier tritt uns der vielseitige Künstler - ein genialer Dirigent, ein Komponist und Klavierspieler von Rang - als hervorragender Musikpädagoge gegenüber.
Ob er von der Herrlichkeit Mozarts spricht oder von der absurden »Musik in Dosen«, mit der wir im Flugzeug oder im Bus berieselt werden, ob er von der klassischen Tradition zu den Problemen übergeht, mit denen der ernste avantgardistische Künstler von heute zu ringen hat - immer öffnet er Pforten zum Wunderreich der Musik. Mit einer Verbeugung vor der höheren Mathematik zeigt er »die ganze Milchstraße von Möglichkeiten« auf, die in den zwölf Tönen der chromatischen Tonleiter verborgen ist. Er macht uns hellhörig für die verschiedenen Stilarten großer Musik, von der höfisch gebundenen, objektiven Schönheit einer Purcell-Arie bis zum subjektiven Gefühlsüberschwang der Romantiker, die unser Verlangen nach dem Wunder stillen und uns den Mond zur ückgeben, den »die Wissenschaft verbannt und zu einem etwas entfernteren Flughafen gemacht hat«.
Kann die Musik ganz bestimmte Gefühle ausdrücken, kann sie Begebenheiten schildern - oder sind ihr darin Grenzen gesetzt? Läßt sich Jazz in einem seriösen Musikwerk verwenden? Was ist typisch amerikanisch an der amerikanischen Musik? Diese und andere fragen erörtert Bernstein an vielen konkreten Beispielen. Dabei wird er nie lehrhaft, sondern führt uns auf eine humorig geistvolle Art in seine Welt ein. Er erzählt, was in ihm vorgeht, wenn er dirigiert oder wenn er »Musik schreibt«, und gewährt uns damit Einblicke in die Schaffensweise eines schöpferischen Künstlers. Wie vollkommen sich bei Bernstein sensible Einfühlung mit luzider Intelligenz verbindet, erhellt uns seine Analyse vier großer Symphonien von Beethoven, Brahms, Tschaikowsky und Dvorak. Dies ist Musik, die wir alle zu kennen glauben, weil wir sie schon oft gehört haben; aber wir werden sie anders, vielleicht zum erstenmal richtig hören nach der Interpretation des großen Musikers, dem wir in diesem Buch begegnen.