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Gramola BSIN02647012 Moser, Barbara - Fingerprints: Klavierwerke Composer: Franz Liszt, Franz Schubert, Richard Wagner Barbara Moser - Fingerprints: Klavierwerke
Gedanken zur programmatischen Auswahl
Der Ausgangspunkt für die vorliegende Kompilation war die selbst gestellte Aufgabe, zwei einander recht konträr gegenüberstehende Melodiker zu vereinen. Auf der einen Seite Franz Schubert (1797-1828), der so gerne mit einer Opernkomposition reüssiert hätte, was ihm nicht gelingen wollte, und auf der anderen Seite Richard Wagner (1813-1883), der schon früh sein Talent für die Musikdichtung großen Stils erkannte und kaum Anstalten machte, sich an einer anderen Gattung als der Oper zu versuchen. Um den Facettenreichtum beider Meister zu illustrieren, habe ich auch unbekanntere, nicht dem Klischee entsprechen wollende Werke miteinbezogen.
Richard Wagners Schwiegervater Franz Liszt (1811-1886) versuchte zeitlebens, in seinen Funktionen als Komponist, Pianist und Dirigent, den von ihm hochgeschätzten Kollegen zu propagieren. Während Liszt in Weimar als Dirigent mit ungenügenden Mitteln am Theater haderte (beispielsweise nur 38 Musiker für die Erstaufführung des „Fliegenden Holländer“ und ein viel zu kleiner Chor), verfaßte er zahlreiche Paraphrasen über die bekanntesten Nummern aus Wagners Opern, die er dann bereits lange nach Beendigung der eigenen Pianistenkarriere in Konzerten aufführte oder durch seine unendliche Zahl an Schülern verbreiten ließ. Diese Paraphrasen sind nie reine Arrangements, sondern tragen immer die Handschrift eines herausragenden Komponisten, der, darauf bedacht, die Wirkung des Originals „mitzunehmen“, genialische kleine Veränderungen der Struktur vornimmt, um die Idee des Originals noch zu überhöhen.
So finden sich beispielsweise im Spinnerlied zwei eingeschobene Zitate des Holländer-Motivs. Der Sinn dahinter ist offensichtlich: um zu verhindern, daß derjenige, der nur die herausgelöste Musiknummer kennen lernt, das Stück für ein duftig leichtes Kabinettstück ohne weiteren Tiefgang hält, zeigt Liszt die Tragweite der an sich düster-tragischen Handlung auf.
Daß Wagner auch Original-Klavierkompositionen geschrieben hat, ist weithin unbekannt. Es existieren einige Frühwerke, die eigentlich für seine Kompositionsstudien beim Leipziger Thomaskantor Christian Theodor Weinlig komponiert worden waren, also nicht für Aufführungszwecke gedacht oder geeignet sind. Dann gibt es aber auch einige kleine Klavierstücke aus den 1850er und 60er Jahren, die recht hübsch anzuhören sind und auch jeweils eine interessante Entstehungsgeschichte aufweisen.
Der Züricher Vielliebchen-Walzer entstand 1854 für Marie Luckenmayer, Mathilde Wesendoncks Schwester, mit dem humorigen Widmungstext „ gewidmet vom besten Tänzer aus Sachsen, genannt: Richard der Walzermacher “ mit den angeschlossenen Grußworten „ Guten Morgen, Vielliebchen“ . Marie Luckenmayer besuchte 1854 ihre Schwester in Zürich, auf deren Grundstück die Wagners nach seiner Beteiligung am Dresdner Maiaufstand von 1849 - und der daraus erfolgten steckbrieflichen Verfolgung - Asyl gefunden hatten.
In das Album der Fürstin M. ist als musikalischer Dank (geschrieben 1861) an eine seiner wichtigsten Gönnerinnen am französischen Hof zu verstehen. Hinter der Fürstin M. verbirgt sich Pauline von Metternich-Winneburg, die Gattin des damaligen österreichischen Botschafters in Paris.
Auch die Ankunft bei den schwarzen Schwänen ist als Dank an eine adelige Gönnerin 1861 komponiert worden. Die Widmung „ seiner edlen Wirthin Frau Gräfin von Pourtalès zur Erinnerung von Richard Wagner“ ist so zu erklären, daß während Wagners zweitem längeren Parisaufenthalt besagte Gräfin Pourtalès, Gattin des preußischen Gesandten bei Napoleon III., zeitweise persönlich für eine komfortable Unterbringung Wagners sorgte.
Bei Isoldens Liebestod gilt es, das Problem des Einstiegs zu lösen: in der Oper geht dem so genannten Liebestod ein langes Rezitativ mehrerer Beteiligter voran, das für eine Klavierfassung unbrauchbar ist. Direkt anzufangen lässt den Hörer zu spät in die richtige Stimmung kommen. So nimmt Liszt das Motiv der Nacht, der Todessehnsucht aus dem Tristan und stellt es in seiner Schroffheit und unaufgelösten Dissonanz der ätherisch schönen, aus dem Pianissimo erwachsenden Melodie Isoldens voraus.
Den Einzug der Gäste auf der Wartburg übernimmt Liszt ganz originalgetreu von Wagner, endet aber nicht mit der Nummer, sondern läßt noch einen Blick in die nächste rezitativisch-lyrische Szene zu, deren Thema er dann ein wenig variiert, um mit einer Rückkehr zum Finalteil des eigentlichen Einzugs der Gäste fulminant zu enden. Liszt formt somit aus der so oft von Wagner benutzten romantische „Un“-Form ein fast klassisch geschlossenes Werk (a - b - a').
Unter dem Eindruck von Wagners Tod in Venedig schrieb Liszt eines seiner beeindruckend kargen Spätwerke: Am Grabe Reichard Wagners . Der vorangestellte Text „ Wagner erinnerte mich einst an die Ähnlichkeit seines Parsifal-motivs mit einem früher geschriebenen – „Excelsior“ – (Einleitung zu den Glocken von Straßburg). Möge diese Erinnerung hiermit verbleiben. Er hat das Große und Hehre in der Kunst der Jetztzeit vollbracht“ erinnert den Kenner nicht nur an diesen Fall des „Ausborgens“ eines Themas vom Schwiegerpapa sondern ruft auch den bekanntesten Fall ins Gedächtnis: den berühmten Tristan-Akkord, den Liszt schon in den 40er Jahren in seinem Lied „Ich möchte hingeh'n“ verwendet hat. Liszt nahm die kleptomanische Veranlagung seines Schwiegersohns gelassen und meinte einmal: „na, auf diese Weise bekommt die Welt es (das Motiv) wenigstens zu hören“!
Schuberts Leben entwickelte sich wesentlich unspektakulärer, obgleich er im Vergleich zu Wagner als kompositorisches Wunderkind gelten müßte („Gretchen am Spinnrad“ schrieb er mit 16 Jahren - vergleiche Wagners „Sonate“, die im Alter von 18 Jahren entstand). Der nie über Österreichs Grenzen Hinausgekommene schrieb äußerst erfolgreiche Tanzmusik, seine etwa 600 Lieder waren außerhalb Ostösterreichs so gut wie unbekannt, seine Symphonien ungedruckt, seine Opern Mißerfolge. Erst durch die couragierte „Werbung“ berühmter Sänger wie Johann Michael Vogl, Anna Milder, Henriette Schröder-Devrient und des berühmten Klaviervirtuosen Franz Liszt, kam Ende der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts eine „Entdeckung“ des Wiener Komponisten zustande. Liszt verbreitete Schuberts Namen durch seine genialen Liedtranskriptionen und die Fassung der Wanderer-Fantasie für Klavier und Orchester und plante sogar, die erste Schubert-Biographie herauszugeben.
Die Vier Impromptus D 899 waren ursprünglich als erster Teil einer acht Stücke umfassenden Sammlung gedacht. Schuberts Verleger jedoch griffen eigenmächtig ein und zerteilten den Zyklus in mehrere Komponenten zwecks besserer Verkäuflichkeit. Sie schreckten nicht einmal davor zurück, das dritte Impromptu in die leichter les- und spielbare Tonart G-Dur zu transponieren und es auch gleich in einen einfacheren Takt zu verlegen (alla-breve statt doppel-alla-breve). Da diese und andere Verstümmelungen lange nach Schuberts Tod stattfanden und bis zur ersten Gesamtausgabe in den zehner Jahren des 20. Jahrhunderts unentdeckt blieben, ist es nicht verwunderlich, daß sich ein richtigeres Schubert-Bild erst spät im 20. Jahrhundert durchzusetzen begann.
Während das erste Impromptu durch sein markantes marschartiges Thema, das in den unterschiedlichsten harmonischen Gewändern auftritt, ein Gefühl der unendlichen, doch bedrückenden Weite vermittelt, kommt im zweiten Impromptu eine beinahe spielerische Koketterie zum Tragen. Scheinbar nur, da das perlende Dur-Thema von einem gewaltigen Moll-Teil passagenweise im fortissimo unterbrochen wird, der dann auch in Abwandlung als Coda fungiert.
Den melancholischen Kontrast bildet das berühmte dritte Impromptu, das mit seiner unendlichen Melodie wohl als „typischer“ Vertreter Schubertschen Kompositionsstils gewertet werden darf.
Im vierten Impromptu scheint Schubert mit der Bildung seiner Zuhörer zu spielen: er überschreibt das Stück mit „As-Dur“ und doch wartet man zwanzig Takte vergeblich auf genau dieses As-Dur. - Der Anfang steht in as-Moll und moduliert gewagt in alle möglichen Regionen, bevor endlich die „Erlösung“ kommt! Dieses abschließende Impromptu ist vom Aufbau her das klassischste der vier mit einer klaren a-b-a-Konstruktion.
Schuberts Anfang 1823 komponierte Sonate D 784 fällt in die Periode des ersten Ausbruchs seiner venerischen Erkrankung, von der er sich nie wieder zur Gänze erholen sollte. Dementsprechend pessimistisch, manchmal sogar aggressiv äußert sich seine Stimmungslage in diesem Werk. Der erste Satz, geprägt von symphonisch anmutendem Tonsatz, eröffnet die düstere Seelenwelt mit unausgeschmückten Unisono-Klängen und beständig abreißenden Melodieteilen. Während sich in diesem Satz der Sonate die „Störfaktoren“ als Fortissimo-Keulenschläge äußern, wendet sich das Ausdrucksmittel im langsamen Satz ins Gegenteil: hier wird die Melodie von quasi gehauchten Unisono-Umspielungen einer Note unterbrochen, was einen besonders unheimlichen Effekt erzeugt. Der dritte Satz ist nicht ohne Effekte, zielt aber nicht auf die oben angesprochene Wirkung ab. Eher scheint eine Jagd der beiden Hände aufeinander zu beginnen, die sich, dreimal von einem lyrisch wiegenden Thema unterbrochen, aufpeitschen, um in einer gefürchteten kanonischen Oktavenstelle zu gipfeln.
(Barbara Moser)
Released 2005.
Price:
16,90 EUR
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