Preiser BSIN02515991

Massary, Fritzi - Operette/Lieder (Fritzi Massary singt)

Composer: Leo Fall, Michael Krausz, Franz Lehar, Oscar Straus

Fritz Massary – Erinnerungen an Fritzi Massary
17 Aufnahmen aus den Jahren 1926 – 1932
Fritzi Massary mit Hans Bollmann, Arthur Guttmann, Walter Jankuhn, Max Pallenberg, Marcel Wittrisch.
Tracklisting:
1. Ich hol dir vom Himmel das Blau (Die lustige Witwe) (04:31)
2. Ich bin ein anständige Frau (Die lustige Witwe) (04:21)
3. Weiber - Marsch (Die lustige Witwe) (05:38)
4. Mein Freund aus Singapur (Die lustige Witwe) (02:43)
5. Lippen schweigen (Die lustige Witwe) (03:16)
6. Nebenbei (Eine Frau von Format) (05:06)
7. Wir wollen tun, als ob wir Freunde wär (Eine Frau von Format) (04:18)
8. Ungarisches Lied (Die Königin) (02:24)
9. Die kleine Kokotte (Die Königin) (02:40)
10. Heut könnt einer sein Glück bei mir machen (Madame Pompadour) (03:09)
11. Ich bin dein Untertan, dein treuer (Madame Pompadour) (03:09)
12. Im Liebesfalle (Madame Pompadour) (03:10)
13. Josef, ach, Josef (Madame Pompadour) (03:00)
14. Ich bin eine Frau, die weiß was sie will (Eine Frau, die weiß, was sie will) (02:40)
15. Jede Frau hat irgendeine Sehnsucht (Eine Frau, die weiß, was sie will) (03:22)
16. Ninon, Ninon (Eine Frau, die weiß, was sie will) (03:05)
17. Warum soll eine Frau kein (Eine Frau, die weiß, was sie will) (03:13)

Die Geschichte ist nie richtig erzählt worden - vorausgesetzt, sie hat sich überhaupt zugetragen:
Im Sommer 1900 wollte eine gerade l8jährige Soubrette aus Wien in Norddeutschland Karriere machen. Dabei ging sie besonders raffiniert vor - meinte sie: Das kluge Mädchen hatte in Erfahrung gebracht, daß in Hamburg, in der Spielzeit-Pause der Sommermonate, das Ensemble des Berliner Thalia-Theaters gastierte, und zwar im Haus des Carl-Schultze-Theaters. Wenn sie nun, so kalkulierte die junge Dame, im Carl-Schultze-Theater vorsingen würde, dann hätte sie gleichzeitig die Chance, auch mit einem Berliner Theaterdirektor bekannt zu werden. Aber die Rechnung ging nur teilweise auf: Direktor Jean Kren vom Berliner Thalia-Theater erbat sich kurzfristig von seinem Hamburger Kollegen Direktor Max Monti eine möglichst hübsche Soubrette für eine Kammerzofen-Charge - und Monti, der die kleine Wienerin gerade kennengelernt hatte, schickte also die neuengagierte Kraft zu Direktor Kren. Am nächsten Morgen ließ sich Kren mit Monti verbinden und sagte ins Telefon: "Hören Sie mal, lieber Herr Kollege, wenn ihre Dame schon nicht singen und nicht tanzen kann - sprechen müßte sie doch wenigstens können!"

Damit war für Jean Kren der Fall Fritzi Massary erledigt - und für Max Monti zunächst ebenfalls: Er behielt sie zwar für den Rest der Spielzeit im Ensemble des Carl-Schultze-Theaters, schickte sie aber dann nach Wien zurück, mit dem Vermerk, Ehrgeiz und Fleiß ohne Begabung sei für das Theater nicht ausreichend ...
Für Friederike Massarik, wie Fritzi Massary mit bürgerlichem Namen hieß, war die Hamburger Episode nicht eben ein Bombenerfolg - ob sie sich nun so, wie geschildert, zugetragen hat oder nicht. Überhaupt deuteten die Anfänge ihrer Karriere durchaus nicht darauf hin, daß die nicht sonderlich attraktive, nicht sonderlich stimmbegabte Soubrette von Franz Jauners Gnaden einmal das Idol einer ganzen Epoche sein wollte.
Am 21. März 1882 in Wien geboren, Tochter eines Kaufmannes im Stadtviertel der Kaserne der "Hoch- und Deutschmeister", wurde sie vermutlich 1897 an das Carl-Theater engagiert, keine sechzehn Jahre alt. Ob Jauner wirklich die damals durchaus noch nicht deutlich erkennbare Begabung der jungen Massary erkannt hat, ist immerhin zweifelhaft: Er verpflichtete die theaterbesessene Elevin für den Chor einer seiner Rußland-Tourneen - die Bühnenkarriere der Massary begann in Moskau. Ob sie überhaupt im Carl-Theater in Wien damals auch aufgetreten ist, darüber läßt sich nirgendwo ein Hinweis finden.
1899 wurde die Massary nach Linz engagiert und debütierte am 24. September 1899 in einer Posse: "Die Kinderfrau" - die Kritik in der "Linzer Tagespost" meinte, daß die Debütantin "recht verwendbar sein dürfte, aber, wie dies bei talentierten Anfängern stets der Fall, etwas zu stark auftrug."

1900 dann kam es zu dem eingangs geschilderten Ausflug nach Hamburg. Bis heute ist in den meisten Massary-Biographien zu lesen, sie habe versucht, an das Hamburger Thalia-Theater zu kommen - in der Tat galt ihr Interesse einem Thalia-Theater, jedoch der gastierenden Berliner Truppe. Im Verlauf ihres Hamburger Engagements am Carl-Schultze-Theater trat die Massary als Molly in der "Geisha", als Bronislawa und Post-Christi auf; 1901 kehrte sie nach Wien zurück, an "Danzers Orpheum". Das Bühnenjahrbuch vermerkt über diese Bühne: "Verbunden mit dem Sommertheater im Englischen Garten (vormals "Venedig in Wien)", und fährt fort: "Das Theater wurde 1900 mit einem Kostenaufwand von 160.000 Gulden vollständig umgebaut und für die Saison 1901 am 5. Oktober eröffnet ... "

In diesem Etablissement, vergleichbar etwa dem Kroll'schen in Berlin, blieb die Massary bis zum April 1904. Einige gravierende Ereignisse haben sich in diesen drei Jahren zugetragen, die in den gängigen Berichten über die Massary selten genannt werden: Am 30. April 1903 trat sie aus der jüdischen Glaubensgemeinschaft aus und wurde Protestantin; ob dieser Entschluß mit privaten Erlebnissen zusammenhing - am 10. September 1903 wurde die Massary Mutter einer Tochter - sei dahingestellt. Zweifellos entsprach ihr Publikumserfolg in Wien nicht ihren Erwartungen. Da traf es sich günstig, daß Direktor Richard Schultz vom Berliner Metropol-Theater "Danzers Orpheum" besuchte, Gefallen an der 22jährigen Soubrette fand und sie nach Berlin engagierte: Am 29. Oktober 1904 trat Fritzi Massary in der "großen Ausstattungsposse mit Gesang und Tanz", "Die Herren vom Maxim" , zum ersten Mal vor das Berliner Publikum. Aber auch jetzt noch war sie nicht das, was man im modernen Sprachgebrauch einen "Senkrechtstarter" nennt. Sie hatte sich immer wieder gegen noch jüngere, nicht weniger talentierte und vor allem hübschere Konkurrentinnen durchzusetzen; es war durchaus nicht selbstverständlich, daß die Massary unbesehen immer in jeder neuen Revue die Hauptrolle erhielt. Dennoch war das Metropol für die Massary schließlich entscheidend: Hier erkannte sie ihre Fähigkeiten, jeden Text, ob harmlos oder gewagt, in einer unwiderstehlichen Art so vorzutragen, daß sich jeder im Publikum, vor allem jeder Mann im Publikum unmittelbar angesprochen fühlte. Bei Schultz im Metropol wurde aus der Allerwelts-Soubrette die Massary, die Unvergleichliche, die Unnachahmliche, die Unerreichbare, als die sie dann bis 1933 in Berlin vor allem gefeiert wurde.
Direktor Schultz war noch 1911 nicht klüger als alle anderen "Fachleute" vor ihm: Als die Massary wenigstens die gleiche Gage wie die Komiker Guido Thielscher oder Giampietro verlangte, ließ er sie leichten Herzens gehen ...

1911 begann die große Zeit der Massary: In München an Max Reinhardts Künstlertheater, in derselben Aufführung der "Schönen Helena", in der auch die weiland Mizzi Jedlicka alias Maria Jeritza ihre Weltkarriere begründete, zusammen mit einem jungen Tenor namens Rudolf Ritter, der 1924 der erste Siegfried des Nachkriegs-Bayreuth wurde, und mit Max Pallenberg, dem späteren Ehemann der Massary. Was danach kam, trotz Unterbrechung der so geradlinnig und zielstrebig aufgebauten Karriere durch die unvermeidlichen vaterländischen Kriegs-Revuen im kaiserlichen Berlin, war das unumschränkte Regime der Massary auf den Operetten- und Revue-Theatern Berlins. Die Massary-Premieren waren die unumstrittenen Höhepunkte jeder Theater-Saison, trotz Lehar, trotz Richard Tauber; sie blieben es auch nach dem "Schwarzen Freitag" von 1929, obwohl etwa um diese Zeit doch ein gewisses Abflauen des allgemeinen Massary-Fiebers zu beobachten ist. War die Massary bis etwa 1930 einziges Vorbild aller Operetten- Diven, was Art des Vortrages, des Auftretens und - mit den Jahren mehr und mehr - die Raffinesse der Garderobe auf der Bühne und im Leben betraf, so ließen sich nun auch andere Stimmen vernehmen, vor allem, als der Zusammenbruch der holländischen "Amstelbank" 1931 Einzelheiten über das Vermögen des Ehepaares Massary-Pallenberg bekannt werden ließ: seit Jahren hatte die Massary von jeder Vorstellung 25 % der Kasseneinnahme bei einer garantierten täglichen Mindestsumme von 2750,- Mark verlangt. Im August 1932 erlebte Berlin die letzte Massary-Premiere: Im Metropol spielte sie "Eine Frau, die weiß, was sie will". Der berühmte Titel-Song wurde ihr Abschied von Berlin, 1933 ihr Abschied von Wien, mit dem die nun 50jährige Abschied auch von ihrem Metier nahm. Denn ihr Auftreten in London in Noel Cowards "Operetta" wurde nicht der erwartete Erfolg: Sie sang nicht in ihrer eigenen Sprache, und das Publikum war ihr fremd.
So makaber es klingen mag: Die unbarmherzigen politischen Ereignisse von 1933 beendeten eine beispiellose Karriere zu einem Zeitpunkt, da sich der bevorstehende Niedergang doch schon ankündigte. Der eigentliche Abstieg ist der Massary dadurch erspart geblieben. Als sie am 30. Januar 1969, zwei Monate vor ihrem 87. Geburtstag starb, war ihr Name längst Legende geworden. (Einhard Luther)
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