Max Graf, der Nestor der Wiener Musikkritik, schildert die Welt der Wiener Oper, so wie er sie in seiner mehr als 60jährigen Schaffenszeit als Musikkritiker erlebte. Als er seine Tätigkeit begann, war Wien die Musikhauptstadt der Welt. Im Musikleben der Stadt nahm die Oper eine beherrschende Stellung ein, sie war der glanzvolle Mittelpunkt, der kostbare Rahmen für die musikbegeisterte österreichische Feudalgesellschaft, die sich durch die Verbindung mit dem Großbürgertum und den neuen Herren des industriellen Zeitalters vergrößert hatte. Diese Gesellschaft war freilich schon in Umformung begriffen, der Aufstieg des Kleinbürgertums und der Arbeiterschaft begann. Die Musik selbst war wie die übrigen Künste in Bewegung geraten. Noch ging Johannes Brahms im Stadtpark spazieren, aber schon eroberten sich Richard Wagners Musikdramen die Opernbühnen und in Wien wuchs eine neue Musikergeneration heran, die bald das ganze Musikschaffen revolutionieren sollte, die Generation Arnold Schönbergs und Alban Bergs.
Von den Tagen an, da Hans Richter als Statthalter Richard Wagners am Dirigentenpult der Wiener Oper stand, bis zur sinnlosen Zerstörung des Opernhauses am Ring, das nun im alten Glanz wiedererstanden ist, hat Max Graf als kritisches Gewissen des Hauses den Weg der Wiener Oper, jede neue Entwicklung aufmerksam mitverfolgt. Tage großer Kunst und großer Künstler hat er miterlebt, Tage des Enthusiasmus, aber auch Tage der Sorge, allem Großen und Schönen aufgeschlossen und durch jedes Anzeichen eines Absinkens des künstlerischen Niveaus beängstigt.
Nach dem neuen Aufstieg der Wiener Oper zur Weltbedeutung, den er miterleben durfte, schöpft der Autor in diesem Buch aus dem reichen Schatz seiner Erinnerungen. Er erzählt von Operndirektoren und Dirigenten, Sängern und Sängerinnen, Komponisten und Kritikern, dazu von Wien und der Wiener Gesellschaft als Hintergrund. Seine Sammlung von Feuilletons rundet sich zu einem geschlossenen Bild, das Wesen und Bedeutung der Wiener Oper klar zeichnet und umreißt.