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Jazzhaus SWR BSIN04282697 (Vinyl-LP analog) Koller, Hans / And Friends - Legends Live (1959+1960) (Vinyl-LP anaolg) Hans Koller (ts), Martial Solal (p), Michel de Villers (bs), Roger Guérin (tp, fl ), Fred Dutton (b), Hartwig Bartz (dr), Percy Heath (b), Connie Kay (dr)
Recorded live at Städtische Festhalle Pirmasens, November 13, 1959
Tracklist:
Side 1:
1. Benny's blues (11:11)
2. Oscar (05:18)
3. Dawborn's mood (05:05)
Side 2:
4. Mister B blues (04:51)
5. Margaret Rose (05:29)
6. All the things you are (07:18)
Fulminant beginnt ein Tenorhorn. Benny's Blues, so cool, wie es damals eigentlich nur in St. Germain du Prés klingt oder in Hackensack, in Rudy van Gelders Zauberhütte bei den Aufnahmen zu Adderleys Something Else beispielsweise. Jetzt ein Baritonsax, dann zwölf Takte Trompete, gestopft und entrückt wie es sonst nur noch der Überirdische kann, der Paris und New York gleichermaßen bespielt und fasziniert. Nein, das ist dann doch nicht Hank Jones am Klavier, sondern Martial Solal und Roger Guérin ist der Mann an der Trompete. Wir befinden uns in der "Städtischen Festhalle" in Pirmasens, der Stadt der Schuhmanufakturen. Es ist Herbst 1959, Jazz ist "schick", das Fernsehen hat Einzug gehalten in die eigenen vier Wände und im Kino ist Freddy Quinn "Unter fremden Sternen" vorübergehend verloren gegangen. Doch wer heute Abend zur "SWF Jazz-Session" gekommen ist, der erlebt ein magisches deutsch-französisches Rencontre, ohne die Schatten der deutsch-französischen Erbfeindschaft.
1959 war für Hans Koller ein gutes Jahr gewesen. Mit Oscar Pettiford verband ihn eine fast brüderliche Freundschaft, er hatte Filmaufnahmen gemacht zu einer UFA-Schmonzette mit Albert Mangelsdorff, Günther Leimstoll und Horst Jankowski. Längst war er Lieblingskind von Jazz-Zampano Jo Berendt, der einiges bewegen konnte im damaligen Jazzbetrieb der geteilten Republik und seine Schützlinge gut zu platzieren wusste auf Bühnen, in Funk und Fernsehen, auf Festivals.
Dawborn’s Mood. Koller und Solal jetzt mit Percy Heath und Connie Kay, der Rhythmus-gruppe des Modern Jazz Quartet, das am selben Abend ebenfalls in Pirmasens aufspielte. Martial Solal im Stil von John Lewis, was verwundert, hatte er doch in Frankreich längst die höheren Weihen bei Sidney Bechet und Don Byas bekommen und fühlt sich als Schüler Art Tatums – den schrägeren Tönen einer Nouvelle Vague zugeneigt. Mister B Blues – auch eine Komposition von Koller klingt ein wenig nach deutschem Fernsehkrimi und einer Zeit, in der das wunderbare Wort "Straßenfeger" entstanden war.
Margaret Rose – nun eine Ballade, die der britischen Prinzessin gewidmet und auf einer Tour durch Britannien entstanden war: eng am Metrum, demokratisch in der Verteilung der 12 und 24 Takte fürs jeweilige Solo, schüchtern fast im Vergleich mit dem übergroßen Stan Getz oder dem ultracoolen Dave Brubeck. Doch was soll’s? Diese eigentümliche Mischung aus Stahlnetz, Ben Webster und Eigensinn ist erkennbar; dazu die Kraft des Tons, die Besessenheit beim Spielen – splendid! Und immer bleibt Koller Chef im Ring, er hetzt nicht, nie gerät er in Atemnot. Das alles macht diesen bis in die Knochen swingenden Musiker aus: den Sound Koller, wie Albert Mangelsdorff ihn liebe- und respektvoll charakterisierte.
1960 ist Pirmasens längst vergessen und weiter geht’s: völlig überraschend stirbt Oscar Pettiford in Kopenhagen; Truffaut dreht Schießen Sie auf den Pianisten und Koller trifft Ellington im Schwarzwald zu Studioaufnahmen. Im Juli, auf dem Jazz-Festival in Juan Les Pins, wird ihm der "Grand Prix du Meilleur Soliste Européen" verliehen. Dort läuft ihm Martial Solal über den Weg, der sich gerade neue Schuhe gekauft hat. Die beiden trinken einen und gehen ins Kino. Wie überall läuft in diesem Sommer auch an der Cote d'Azur Godards Sensationserstling "Außer Atem" – mit der Musik von Martial Solal.
Koller ist sprachlos. Solal lebt übrigens noch heute in Juan Les Pins.
Released 2014.
Preis:
38,90 EUR
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