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JBBG - Jazz Bigband Graz - Urban Folktales

Für viele Jazz-Fans der Nachkriegsjahre war der Niedergang der großen Jazzorchester ein Trauma. Zum einen, weil sich der Jazz damit für immer von einer führenden Rolle in Musik und Gesellschaft - heute nennt man das Pop - in eine Nische rutschte; aber auch, weil die Gründe des Bigband-Sterbens weniger künstlerische, sondern rein kommerzielle waren. Dass orchestrale Konzepte keineswegs ausgereizt sind, bewiesen durch die Jahrzehnte hinweg Bands, die sich - befördert vom einen oder anderen kleinen Bigband-Revival – gegen diesen Trend stemmten: In Amerika zum Beispiel die Bigbands von Mel Lewis/ Thad Jones, Clayton / Hamilton, Maria Schneider oder von Bob Brookmeyer, in Europa unter anderem die verbliebenen Ensembles der deutschen Rundfunksender, das französische Orchestre National de Jazz und natürlich das über lange Zeit wegweisende Vienna Art Orchestra, welches aber in 2010 leider eingestellt wurde.
An diese Vorbilder eines zugleich publikumswirksamen wie neue Wege beschreitenden Orchesters knüpfte der Klarinettist Sigi Feigl 1998 mit der Gründung der JBBG - Jazz Bigband Graz an. Die kleine Stadt in der Steiermark war kein zufälliger Ort für ein solches Projekt: Die dortige Universität für Musik und darstellende Kunst gehörte zu den ersten europäischen Musikhochschulen, an denen man Jazz studieren konnte. Und die zentrale Lage innerhalb Europas erwies sich als ideal, um die Entdeckung der Volksmusik, speziell der osteuropäischen aufzunehmen. Nach der Übernahme des Orchesters durch den aus Deutschland stammenden Saxophonisten Heinrich von Kalnein und den Trompeter Horst-Michael Schaffer im Jahr 2003 spielte sich die Band rasch in die erste Reihe: „Einen Quantensprung im großorchestralen Jazz“ attestierte das „Jazzpodium“. Und die Zeitschrift „Jazzthing“ hörte aufgrund des neuartigen Big Band-Konzepts - sich weg vom üblichen Schema der Orchester- und Solo-Passagen hin zu einem klaren Gruppenklang zu bewegen, der mit hohem Elektro-Anteil auch eine Fusion in Richtung Laptop- und Drum’n’Bass-Ästhetik zulässt, - den „kompromisslosen Abschied vom einstigen Bigband-Mief“.
Nach Programmen mit Musik von Friedrich Gulda, Bob Mintzer, Bob Brookmeyer und John Hollenbeck bedeutet „Electric Poetry & Lo-Fi Cookies“ 2008 den endgültigen Durchbruch. Das nicht unbedingt Jazz affine Musikportal „laut“ befindet: „Vergleichbare Wege wurden von einer Big Band noch nicht betreten.“
Den vorläufigen Höhepunkt dieser stürmischen Entwicklung stellt nun „Urban Folktales“ dar. In sechs vielschichtigen Stücken entsteht ein Gesamtkunstwerk, das an konzeptioneller Klarheit wie stilistischer Vielfalt „im Bereich orchestraler Jazz international eine Benchmark setzen will“, so die beiden Bandleader von Kalnein und Schaffer.
Mal meditativ, mal swingend und mal rockig groovend, von der Verschränkung westlicher mit östlichen harmonischen Traditionen („Urban Tribes - Introducion“) und urösterreichischen Motiven („Seelenbaumeln“) über Großstadt-Impressionen und einem „Rêve Africain“ bis zu futuristischen Sphärenklängen nicht von dieser Welt reizt die JBBG alles aus, was so ein Ensemble mit einigen der besten Solisten des deutschsprachigen Raumes zu leisten vermag. So sitzen ja neben einigen der besten österreichischen Jazzern seit jeher auch der Weilheimer Star-Saxophonist Johannes Enders und der vielseitige Münchner Bassist und Cellist Henning Sieverts in der Band. Hohen Anteil am Sound haben auch Gregor Hilbe an Drums, Electronics und Programming sowie Uli Rennert an den Keyboards, Synthezisern und – auch das schon ein Indiz für die ungewöhnliche Bandbreite des gesamten Klangkörpers - an der Lapsteel Guitar.
Zum globalen Projekt wird Urban Folktales durch erlesenen Gäste: Der amerikanische Grammy nominierte und Echo Jazz gekrönte Sänger Theo Bleckmann stimmt auf „Seelenbaumeln“ unendlich lyrisch Peter Roseggers Gedicht „Mein Lied“ an, und geht danach mit kühler, verfremdeter Stimme auf einen „Space Trip“. Dem „Rêve Africain“ leiht die aus Guinea stammende Sängerin Hadja Koujaté ihre eindrucksvolle, gleichsam wie eine afrikanische Mahalia Jackson klingende Stimme. Für die Spannung von „High Voltage“ sorgt der italienische Posaunist Gianluca Petrella ebenso wie der finnische Trompeter Verneri Pohjola. Und schließlich steuert dreimal der vietnamesische in Frankreich lebende Nguyên Lê seine unverwechselbare E-Gitarre bei.
Mit Urban Folktales reiht sich die JBBG blendend in die lange ACT-Tradition hervorragender und preisgekrönter Bigband-Veröffentlichungen ein - von Jazzpaña mit der WDR Bigband, über die Jazzsinfonie Europeana, dem Geir Lysne Ensemble und dem Ensemble Denada aus Norwegen bis zur von Nils Landgren geleiteten schwedischen Bohuslan Bigband.
(actmusic. com)
Tracklist:
1. Urban tribes (Introduction) (04:19)
2. Seelenbaumeln (10:47)
3. Space trip (The day we landed) (11:05)
4. High voltage (07:30)
5. Rêve africain (18:19)
6. Coming home (12:14)
Released 2012.

Reviews:
,,Wegweisender Orchester-Sound aus Österreich." (Stereo, Juni 2012)

,,Gastsolisten wie der Gitarrist Nguyen Le, der Sänger Theo Bleckmann oder der Trompeter Vernen Pohjola verfeinern den eh schon exquisit besetzten Klangkörper." (Audio, Juni 2012)

,,Auch auf ,,Urban Folktales" kreiert die JBBG sechs mächtige Klanggebilde, die durch diverse Gäste ihren ganz besonderen Dreh erhalten." (Jazzthing, Juni-August 2012)
Price: 19,90 EUR